Generative UI und ergebnisorientiertes Design

In Zukunft ist es gut möglich, dass User Interfaces nicht mehr händisch für viele Nutzende gestaltet werden. Stattdessen geht der Trend hin zu generativen User Interfaces, die dynamisch und in Echtzeit maßgeschneidert erstellt werden. Dieser Wandel wird einen ergebnisorientierten Designansatz erzwingen, bei dem die Designer die Ziele der Nutzer priorisieren und Einschränkungen (für die KI) definieren, anstatt diskrete Oberflächenelemente zu entwerfen.

Was ist generative UI?

Ein generatives User Interface (GenUI) ist eine Benutzerschnittstelle, die dynamisch und in Echtzeit von künstlicher Intelligenz generiert wird, um eine auf die Bedürfnisse und den Kontext des Benutzers zugeschnittene Erfahrung zu bieten.
Noch müssen Interfaces so gestaltet werden, dass sie möglichst viele Menschen zufrieden stellen. Jeder erfahrene Designer kennt die großen Nachteile dieses Ansatzes – man kann niemanden vollkommen zufrieden stellen. Personalisierung und Anpassung können helfen, aber nur in geringem Maße.
Auch wenn GenUI noch in den Startlöchern steht, ist davon auszugehen, dass GenUI hochgradig personalisierte, maßgeschneiderte Schnittstellen ermöglichen wird, die den Bedürfnissen jedes Einzelnen entsprechen können.

Generative UI oder KI-Unterstützes Design?

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen generativer UI und der Verwendung generativer KI als Werkzeug im Designprozess.
KI als Unterstützung bei Designprozessen kann dabei helfen Interface Designs zu entwerfen und beschleunigt so den gesamten Designprozess, wodurch am Ende vor allem die Designer und das Produktteam profitieren.
Von generativer UI profitieren die Nutzenden, da keine Designvorschläge geliefert werden, sondern direkt ein individuell auf die Nutzende Person zugeschnittenes User Interface generiert wird.

Der ergebnisorientierte Designer

Da die Nutzung von KI den Prozess der Informationssuche erheblich abkürzen kann, wird die menschliche Gestaltung von Mikrointeraktionen erheblich an Bedeutung verlieren. Entweder gibt es sie gar nicht mehr (weil die KI sie überflüssig macht), oder sie werden dynamisch durch generative User Interfaces gestaltet, die genau auf den Kontext und die Bedürfnisse des Benutzers zugeschnitten sind.
Mit GenUI haben Designer die Freiheit, sich auf eine Vielzahl von Details und Facetten zu konzentrieren, die ein bestimmtes Erlebnis beeinflussen können. In diesem Bereich werden wir vom Design für den Durchschnitt zum Design für das Individuum übergehen. So werden die Designer beispielsweise unterschiedliche Anforderungen für verschiedene Benutzertypen festlegen. So wie wir jetzt bestimmte Funktionen oder Schnittstellenelemente für bestimmte Benutzer einschalten, werden wir der KI Einschränkungen geben, die sie bei der Erstellung einer Schnittstelle erfüllen muss.
Letztendlich werden Designer ihre Arbeitsweise ändern müssen.

  • Wir werden von der Interface-Gestaltung zur Gestaltung von Erlebnissen übergehen müssen. Vor allem für diejenigen von uns, die schon seit Jahren in diesem Bereich arbeiten, wird dies eine große Herausforderung sein. Auch wenn diese Veränderungen bedeutend sind, werden viele unserer grundlegenden Fähigkeiten wichtiger denn je sein: nutzerzentrierte Problemlösung, kritisches Denken, Neugier und eine ganzheitliche Sichtweise.
  • Der Mensch wird die generative Benutzeroberfläche anleiten und einschränken müssen. Wir müssen die generativen Benutzeroberflächen lenken, auch wenn wir keine detaillierten Entscheidungen über einzelne Komponenten treffen. Dadurch wird unsere Aufgabe komplexer und weniger greifbar. Es gibt mehr Variablen und potenzielle Ausgaben, an die gedacht werden muss, was uns letztendlich zu Designern von Parametern und Einschränkungen macht. Wir müssen vielleicht keine individuellen Designdetails festlegen, aber wir müssen der GenUI helfen, unsere Benutzer- und Geschäftsziele zu verstehen.
  • Unser Verständnis von Personas und Customer Journeys wird sich ändern. Mit generativer UI werden wir in der Lage sein, eine größere Vielfalt von Benutzerprofilen, Bedürfnissen und Erfahrungen zu berücksichtigen. Unsere Design-Artefakte und Dokumentationen werden wahrscheinlich viel komplexer werden, aber KI-gestützte Forschungs- und Design-Tools werden uns dabei helfen.
  • Die Forschung wird noch wichtiger werden. Die Untersuchung von Benutzern wird noch wichtiger werden, da traditionelle Designprinzipien und Annahmen in Frage gestellt werden und sich das Benutzerverhalten ändert. Durch Tests wird sichergestellt, dass die dynamisch generierten Schnittstellen den unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorlieben der Nutzer tatsächlich gerecht werden.

Die Herausforderungen von GenUI

Langfristig wird GenUI einen positiven Einfluss auf digitale Erfahrungen haben, die Aussicht auf individuell zugeschnittene Benutzeroberflächen birgt beispielsweise ein immenses Potenzial zur Verbesserung der Zugänglichkeit und der Inklusivität im Design.
Kurzfristig gesehen liegen noch einige Probleme und Herausforderungen voraus.
Die Probleme der generativen KI sind auch die Probleme von GenUI.
Aktuelle Probleme mit generativen KI-Modellen würden zu denselben Problemen in einer generativen Benutzeroberfläche führen. Darüber hinaus werden die derzeitigen Software- und Hardwarebeschränkungen GenUI ausbremsen. So ist beispielsweise eine enorme Rechenleistung erforderlich, um jede einzelne Oberfläche für Milliarden von Nutzern zu jedem Zeitpunkt live zu generieren. Wenn diese Rechenleistung gerätespezifisch ist (wie von einigen vorhergesagt), dann wird es Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern, bis die Mehrheit der Nutzer weltweit über Hardware verfügt, die GenUIs liefern kann. Es ist also völlig unklar, wann GenUIs auf breiter Basis verfügbar sein werden.
Für die Personalisierung von Erlebnissen werden umfangreiche Kontext- und Absichtsinformationen erforderlich sein. KI kann uns dabei helfen, derzeit vorliegende Nutzerdaten besser zu analysieren und zu nutzen. Dafür müsste ein GenUI-System ein tiefes Verständnis für den einzelnen Nutzer entwickeln, dies birgt allerdings erhebliche Risiken für die Privatsphäre und die Sicherheit des Einzelnen.
Ständig wechselnde Benutzeroberflächen können außerdem zu Problemen bei der Benutzerfreundlichkeit führen. Ein Großteil des Verständnisses der Benutzer für moderne Webschnittstellen beruht auf Designstandards (z. B. befinden sich Logos oft oben links). Je mehr man eine Website nutzt, desto vertrauter wird man. Da GenUI die Benutzeroberfläche je nach Ihren Bedürfnissen verändert, könnte Ihnen bei jeder Nutzung einer Website eine anderes User Interface angezeigt werden. Dieses ständige Neulernen des User Interfaces kann zu Frustration führen, vor allem am Anfang, wenn die Benutzer von den alten Methoden abweichen. Die Designer müssen herausfinden, wie sie die Vorteile einer vollständig angepassten Benutzeroberfläche gegen die Nachteile abwägen können, die sich aus der fehlenden Konsistenz und Vorhersehbarkeit der Benutzeroberfläche ergeben.