Wenn generative KI es ermöglicht, mit minimalem Aufwand funktionale Designs zu erstellen, wird strategisches Urteilsvermögen im UX-Design und Usability-Engineering zum entscheidenden Faktor. Kreative Fähigkeiten bleiben unverzichtbar, um nicht nur technisch korrekte, sondern auch intuitive, nutzerfreundliche und markenkonforme Designs zu schaffen.
Verschiebung der technischen Möglichkeiten
Generative KI-Tools ermöglichen es heute, Designs zu erstellen, ohne über tiefgehende technische Fähigkeiten zu verfügen. Illustrationen, Fotografien und Texte lassen sich mit wenigen Klicks erstellen, wodurch traditionelle Barrieren in der Gestaltung zunehmend verschwinden. Auch im Bereich UX-Design und Usability-Engineering übernehmen KI-gestützte Tools immer mehr Aufgaben, etwa die automatische Anpassung von Benutzeroberflächen oder die Generierung von Content für digitale Produkte.
KI erleichtert die technische Umsetzung und automatisiert Routineaufgaben – von der Code-Generierung bis zur Layout-Erstellung. Doch die Fähigkeit, ein funktionales, nutzerfreundliches und ästhetisch ansprechendes Design zu schaffen, bleibt eine menschliche Kompetenz. Ein KI-gestütztes Interface kann visuell korrekt sein, aber die Feinabstimmung auf Nutzerbedürfnisse und das Verständnis für Benutzerverhalten erfordert nach wie vor menschliches Eingreifen.
Technische Fähigkeit ? Geschmack
KI kann zwar schnell funktionierende Prototypen oder Interface-Elemente erzeugen, doch die Qualität dieser Ergebnisse hängt von kreativem und strategischem Urteilsvermögen ab. Die Fähigkeit, ein Design nicht nur technisch korrekt, sondern auch benutzerfreundlich, konsistent und emotional ansprechend zu gestalten, bleibt eine Herausforderung für den menschlichen Designer.
Ein treffender Vergleich stammt von Oisin Hurst: KI ist für Kreativität das, was die Mikrowelle für das Kochen ist. Die Mikrowelle kann die Arbeit erleichtern, aber das Ergebnis erreicht nicht die Qualität eines handwerklich zubereiteten Gerichts. Im UX-Design lässt sich dies auf die Interaktion mit KI übertragen: KI kann ein funktionales Interface erzeugen, aber die intuitive Bedienbarkeit, emotionale Wirkung und Markenkohärenz hängen von menschlicher Gestaltung ab.
Beispiel: Fotografie
Moderne Smartphone-Kameras liefern technisch beeindruckende Bilder, doch ohne ein Auge für Bildkomposition und Perspektive bleibt die emotionale Wirkung oft aus. Ähnlich verhält es sich mit KI-gestützten Designs: Die technischen Möglichkeiten sind da, doch ohne ein Verständnis für Benutzerführung, Interaktionsmuster und visuelle Hierarchien bleibt die Benutzererfahrung hinter den Erwartungen zurück.
Ein Beispiel aus dem Bereich UX-Design sind KI-generierte Landingpages. KI kann problemlos Layouts und Texte erstellen, die visuell ansprechend wirken. Doch ob die Nutzerführung klar ist, die Inhalte logisch strukturiert sind und die Conversion-Ziele erreicht werden, hängt von der menschlichen Feinabstimmung ab. Die Struktur und Navigation einer Website müssen auf die Bedürfnisse der Nutzer und die Markenidentität abgestimmt sein – eine Aufgabe, die weit über die technische Umsetzung hinausgeht.
Was ist Geschmack?
Geschmack im UX-Design und Usability-Engineering beschreibt die Fähigkeit, gezielt die richtigen gestalterischen und funktionalen Entscheidungen zu treffen. Elizabeth Goodspeed beschreibt Geschmack als die Fähigkeit, technologische und kreative Optionen gezielt auszuwählen und zu einem kohärenten Gesamtbild zu kombinieren. Im UX-Design bedeutet dies, nicht nur visuelle Elemente abzustimmen, sondern auch die gesamte Nutzerführung konsistent und intuitiv zu gestalten.
Geschmack zeigt sich in der Fähigkeit, Mikro- und Makroentscheidungen strategisch aufeinander abzustimmen. Die Farbwahl, die Typografie, die Interaktionsmuster und die Informationsarchitektur müssen zusammenpassen und die Benutzerziele sowie die Markenbotschaft unterstützen. Ein gutes Beispiel sind Mobile-Apps: Ein ansprechendes Farbschema allein reicht nicht aus – die Menüführung, die Ladezeiten und die Barrierefreiheit müssen ebenso berücksichtigt werden.
Was macht guten oder schlechten Geschmack aus?
Geschmack ist subjektiv, doch im Kontext von Usability und UX-Design gibt es klare Kriterien für gutes Design. Gute Benutzerführung, schnelle Ladezeiten, Barrierefreiheit und eine logische Informationsarchitektur sind universelle Erfolgsfaktoren. Doch die ästhetische und emotionale Wirkung eines Designs hängt von der Fähigkeit des Designers ab, diese funktionalen Anforderungen mit einer überzeugenden visuellen Sprache zu verbinden.
Ein schlecht gestaltetes Design ist nicht nur unattraktiv, sondern erschwert die Benutzerführung und reduziert die Effizienz der Interaktion. Ein gut durchdachtes Design hingegen leitet den Nutzer intuitiv, vermeidet kognitive Überforderung und stärkt das Vertrauen in die Marke. KI kann technische Unterstützung bieten, aber die strategische Entscheidung über das Gesamterlebnis bleibt in der Hand des Designers.
Geschmack als Unterscheidungsmerkmal
Wenn jeder mithilfe von KI ansprechende Interfaces und Designs erstellen kann, wird die Fähigkeit zur bewussten Auswahl und strategischen Gestaltung zum entscheidenden Differenzierungsfaktor. Die reine Fähigkeit, eine funktionierende Benutzeroberfläche zu erstellen, verliert an Wert – entscheidend wird die Fähigkeit, ein konsistentes, emotional ansprechendes und nutzerfreundliches Erlebnis zu schaffen.
Ein Beispiel: Ein KI-Tool kann problemlos eine App-Oberfläche erstellen. Doch ob die Bedienbarkeit intuitiv ist, die Navigation logisch aufgebaut ist und die Farbgebung den Markenwerten entspricht, hängt von der Erfahrung und dem Gespür des Designers ab. Geschmack zeigt sich hier nicht nur in der visuellen Gestaltung, sondern auch in der strategischen Abstimmung auf die Nutzerbedürfnisse.
Erfahrene Designer werden sich künftig weniger über ihre technischen Fähigkeiten definieren, sondern über ihre Fähigkeit, ein kohärentes und funktionales Design zu schaffen. KI wird die technische Umsetzung erleichtern – doch die kreative Entscheidung darüber, wie das Endergebnis aussieht und sich anfühlt, bleibt eine menschliche Aufgabe.